Cannabis bei Entzündungen: Was steckt dahinter?
 
    
                                                                                                
                                                                        
                                        
                                        
                                        
                                                    Veröffentlicht am: 12.09.2025
Key Facts:
- CBD und THC modulieren Entzündungsprozesse: Cannabinoide aus der Cannabispflanze können über das Endocannabinoidsystem die Aktivität von Immunzellen und Botenstoffen beeinflussen, wodurch sie potenziell entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken können.
- Forschungslage noch begrenzt: Trotz vielversprechender Ergebnisse bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Darmerkrankungen, Arthritis oder Multipler Sklerose sind die Daten aktuell noch begrenzt, und die Wirksamkeit hängt stark von individuellen Faktoren ab.
- Einsatz mit Vorsicht: THC kann Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder psychische Belastungen auslösen, und auch CBD ist in frei erhältlichen Produkten in seiner Wirkung bislang eher unklar. Der medizinische Einsatz sollte in jedem Fall ärztlich begleitet werden.
Entzündungen begleiten den Menschen seit jeher – und ebenso lange sucht die Medizin nach Wegen, sie gezielt zu lindern. Schon früh wurde Hanf als Heilpflanze in diesem Kontext genutzt. Heute richtet sich der Blick der modernen Wissenschaft wieder verstärkt auf die Cannabispflanze und insbesondere auf Cannabinoide wie etwa Cannabidiol, das zunehmend im Fokus steht. Forschungsteams weltweit untersuchen die Mechanismen, über die Cannabinoide auf verschiedenen Ebenen des Immunsystems wirken könnten.
Im folgenden Beitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf das Zusammenspiel von Cannabinoiden und dem Immunsystem, beleuchten aktuelle Forschungsergebnisse und erklären, welche Rolle CBD und THC bei Entzündungen spielen könnten.
Was sind Entzündungen überhaupt?
Eine Entzündung ist eine natürliche Schutzreaktion des Körpers. Sie entsteht, wenn das Immunsystem auf Reize wie Krankheitserreger, Verletzungen oder Fremdkörper reagiert. Typische Anzeichen sind dann etwa Rötung, Wärme, Schwellung, Schmerzen und eine eingeschränkte Funktion – so signalisiert der Körper, dass Schonung sinnvoll ist.
Ausgelöst wird die Reaktion durch Immunzellen und Entzündungsmediatoren, also Botenstoffe, welche die Blutgefäße erweitern, Abwehrzellen ins Gewebe locken und Schmerzsignale verstärken. Während akute Entzündungen meist heilungsfördernd wirken, können chronische Entzündungen wie bei Rheuma, Schuppenflechte oder Darmerkrankungen das Gewebe dauerhaft schädigen und eine gezielte Behandlung erfordern.
Genau hier setzt die medizinische Cannabis-Forschung an: Cannabinoide wie CBD und THC könnten nicht nur krampflösend, sondern auch entzündungshemmend wirken. Studien deuten darauf hin, dass diese Substanzen die Aktivität von Immunzellen und Botenstoffen modulieren1 – ein Ansatz, der Cannabisprodukte zu einer spannenden Option für Patient:innen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen macht.
Cannabis und das Endocannabinoidsystem
Damit verständlich wird, warum Cannabis bei Entzündungen überhaupt eine Rolle spielen kann, lohnt sich ein Blick auf das sogenannte Endocannabinoidsystem (ECS). Dieses biologische Netzwerk durchzieht den gesamten Körper und hilft dabei, das innere Gleichgewicht, die Homöostase, zu erhalten. Es ist an zahlreichen Prozessen beteiligt, darunter Schmerzregulation, Entzündungsreaktionen, Appetit, Verdauung, Stressverarbeitung und der Immunantwort.
Das ECS besteht im Wesentlichen aus drei Bausteinen:
- speziellen Rezeptoren (vor allem CB1 und CB2),
- körpereigenen Botenstoffen – den Endocannabinoiden – sowie
- Enzymen, die diese Stoffe auf- und abbauen.
Während CB1-Rezeptoren vor allem im Gehirn und Nervensystem vorkommen, finden sich CB2-Rezeptoren überwiegend in Immunzellen. Genau hier setzt auch der Zusammenhang zu Entzündungen an, da diese Rezeptoren beeinflussen, wie stark das Immunsystem reagiert.
Cannabinoide aus der Hanfpflanze können auf unterschiedliche Weise in dieses System eingreifen. THC bindet zum Beispiel direkt an CB1-Rezeptoren im Gehirn. Das erklärt nicht nur die psychoaktiven Effekte („High“), sondern auch den möglichen Einfluss auf Schmerzen. Manche Studien deuten zudem darauf hin, dass THC entzündungshemmend wirken könnte, auch wenn Nebenwirkungen wie Angst oder Halluzinationen nicht ausgeschlossen sind2,3.
Dagegen dockt etwa CBD nicht direkt an die Rezeptoren an, sondern moduliert sie indirekt. Forschende gehen davon aus, dass CBD vor allem die Aktivität der CB2-Rezeptoren beeinflusst und so die körpereigene Produktion von Endocannabinoiden unterstützt. Dieser Wirkmechanismus könnte ein Grund dafür sein, dass CBD im Fokus steht und in Studien wiederholt entzündungshemmende und schmerzlindernde Effekte gezeigt hat4.
Für die Medizin ist dieser Ansatz besonders spannend. Forschungsteams weltweit untersuchen derzeit, wie Inhaltsstoffe der Cannabispflanze bei chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen oder in der Schmerztherapie eingesetzt werden könnten. Erste Ergebnisse deuten auf Potenzial hin, doch die Wirksamkeit ist individuell verschieden und hängt von vielen Faktoren ab – von der Dosierung über genetische Unterschiede bis hin zu möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Welche Cannabinoide sind interessant bei Entzündungen?
Die Marihuanapflanze enthält viele Wirkstoffe, doch für Entzündungen stehen, wie bereits zuvor erwähnt, vor allem CBD und THC im Vordergrund. Cannabidiol gilt als der am besten untersuchte Stoff: nicht berauschend, mit potenziell entzündungshemmender und krampflösender Wirkung. Forschende vermuten, dass CBD über Immunzellen Entzündungsreaktionen moduliert.
THC ist vor allem durch seine psychoaktiven Eigenschaften bekannt, könnte aber ebenfalls entzündungshemmende Effekte haben. Die Ergebnisse sind gemischt: Manche Patient:innen berichten von Linderung, andere erleben Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder psychische Belastungen. Daneben rücken auch weitere Cannabinoide wie CBG und CBC sowie das Terpen Beta-Caryophyllen in den Blick, die in präklinischen Studien entzündungsmodulierende Eigenschaften zeigten5,6.
Für die Medizin eröffnet sich damit ein interessantes Feld: Die Kombination verschiedener Cannabinoide und Terpene könnte neue Therapieansätze bieten. Noch sind jedoch mehr Studien nötig, um Wirksamkeit und Sicherheit verlässlich zu bewerten – auch weil die entzündungshemmende Wirkung bislang weitgehend unklar ist.
Aktuelle Studienlage: Was die Forschung zum Cannabis-Wirkstoff sagt
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Cannabis und Entzündungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Zahlreiche präklinische und erste klinische Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, wie Cannabinoide auf Immunzellen, Botenstoffe und Enzyme wirken und ob sie dadurch Entzündungsprozesse beeinflussen können. Der Blick in die Forschung zeigt: Die Ergebnisse sind vielversprechend, aber die Datenlage ist noch begrenzt.
Besonders untersucht werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Patient:innen berichten hier von weniger Schmerzen und besserer Verdauung, vermutlich durch eine Modulation des Immunsystems über CB2-Rezeptoren7,8.
Auch bei Arthritis und rheumatischen Beschwerden gibt es Hinweise, dass Cannabinoide nicht nur schmerzlindernd, sondern auch entzündungshemmend wirken können – etwa durch die Hemmung bestimmter Botenstoffe9,10.
In der Neurologie, vor allem bei Multipler Sklerose, prüfen Forschende, ob Cannabis-Medikamente neben krampflösenden auch entzündungsmodulierende Effekte haben. Erste Ergebnisse deuten auf eine Linderung von Spastiken und Schmerzen hin11.
Dennoch gilt: Die Datenlage ist noch dünn. Viele Studien sind klein oder kurz angelegt. Um Wirksamkeit und Sicherheit verlässlich zu beurteilen, braucht es größere klinische Untersuchungen – gerade, weil das in heute frei erhältlichen Produkten enthaltene CBD in seiner Wirkung bislang eher unklar bleibt und Forschungsteams sich dieser Frage noch genauer annehmen müssen.
Grenzen der Cannabis-Wirkung auf Entzündungen
Auch wenn Studien zur Wirkung von Cannabis bei Entzündungen vielversprechend sind, handelt es sich nicht um eine universelle „Heilung“. Patient:innen sollten im Blick behalten, dass die Ergebnisse bisher begrenzt sind und Cannabisprodukte in der Behandlung von entzündlichen Erkrankungen eher ergänzend anstatt als alleinige Therapie eingesetzt werden.
Besonders THC kann neben entzündungshemmenden Effekten auch unerwünschte Begleiterscheinungen auslösen – darunter Müdigkeit, Konzentrationsprobleme oder psychische Auswirkungen wie Angstgefühle. Da jeder Organismus unterschiedlich reagiert, lässt sich die individuelle Verträglichkeit kaum vorhersagen. Auch CBD gilt zwar als vergleichsweise gut verträglich, doch auch hier fehlen groß angelegte Langzeitstudien.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten. Die zugrunde liegenden Wirkmechanismen sind nämlich doch sehr komplex: Cannabinoide beeinflussen Enzyme, die am Abbau anderer Wirkstoffe beteiligt sind. Dadurch können sich die Konzentrationen im Blut verändern – mit Folgen für Wirksamkeit und Nebenwirkungen klassischer Arzneimittel. Deshalb sollte der Einsatz von Cannabis-Medikamenten immer ärztlich begleitet werden.
Fazit: Cannabis und Entzündungen – viel Potenzial, aber noch offene Fragen
Die Forschung zu Cannabis als entzündungshemmender Ansatz steckt noch in den Kinderschuhen, doch sie entwickelt sich dynamisch. CBD und andere Cannabinoide zeigen Potenzial, auch wenn viele Prozesse bislang nur unvollständig geklärt sind. Forscher:innen auf der ganzen Welt arbeiten daran, die Wirkungen besser zu verstehen und den medizinischen Einsatz zu präzisieren. Klar ist: Als Heilpflanze hat Hanf eine jahrtausendealte Tradition, doch nur durch wissenschaftliche Bildung und einen offenen Dialog zwischen Forschenden, Ärzt:innen und Patient:innen lässt sich ihr Platz in der modernen Medizin realistisch einschätzen.
Disclaimer: Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information. Er ersetzt keine medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung durch Ärzt:innen oder anderes medizinisches Fachpersonal. Cannabisprodukte sollten nur nach Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt und unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen angewendet werden.
Quellen:
[1] Jirasek, P., Jusku, A., Frankova, J., Urbankova, M., Diabelko, D., Ruzicka, F., Papouskova, B., Chytilova, K., Vrba, J., Havlasek, J., Langova, K., Storch, J., Voborna, I., Simanek, V., & Vacek, J. (2024). Phytocannabinoids and gingival inflammation: Preclinical findings and a placebo-controlled double-blind randomized clinical trial with cannabidiol. Journal of Periodontal Research, 59(3), 468–479. https://doi.org/10.1111/jre.13234.
[2] Cohen, G., Gover, O., & Schwartz, B. (2023). Phytocannabinoids reduce inflammation of primed macrophages and enteric glial cells: An in vitro study. International Journal of Molecular Sciences, 24(19), 14628. https://doi.org/10.3390/ijms241914628.
[3] Yazici, Z. M. C., Bilge, B., & Bolkent, S. (2022). Anti-inflammatory potential of delta-9-tetrahydrocannabinol in hyperinsulinemia: An experimental study. Molecular Biology Reports, 49(12), 11891–11899. https://doi.org/10.1007/s11033-022-07996-9.
[4] Mlost, J., Bryk, M., & Starowicz, K. (2020). Cannabidiol for pain treatment: Focus on pharmacology and mechanism of action. International Journal of Molecular Sciences, 21(22), 8870. https://doi.org/10.3390/ijms21228870.
[5] Al-Khazaleh, A. K., Zhou, X., Bhuyan, D. J., Münch, G. W., Al-Dalabeeh, E. A., Jaye, K., & Chang, D. (2024). The Neurotherapeutic Arsenal in Cannabis sativa: Insights into Anti-Neuroinflammatory and Neuroprotective Activity and Potential Entourage Effects. Molecules, 29(2), 410. https://doi.org/10.3390/molecules29020410.
[6] Bagher, A. M. (2025). Intraplantar β-Caryophyllene Alleviates Pain and Inflammation in STZ-Induced Diabetic Peripheral Neuropathy via CB2 Receptor Activation. International Journal of Molecular Sciences, 26(9), 4430. https://doi.org/10.3390/ijms26094430.
[7] Kinnucan, J. (2018). Use of medical cannabis in patients with inflammatory bowel disease. Gastroenterology & Hepatology, 14(10), 598–601. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6366240/.
[8] Kalapa Clinic. (n.d.). Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Hilfe durch Cannabinoide. https://www.kalapa-clinic.com/de/chronisch-entzuendliche-darmerkrankungen-hilfe-durch-cannabinoide/. [abgerufen am: 10.09.2025]
[9] Aswad, M., Pechkovsky, A., Ghanayiem, N., Hamza, H., & Louria-Hayon, I. (2025). High CBD extract (CBD-X) modulates inflammation and immune cell activity in rheumatoid arthritis. Frontiers in Immunology, 16, 1599109. https://doi.org/10.3389/fimmu.2025.1599109.
[10] Aswad, M., Pechkovsky, A., Ghanayiem, N., Hamza, H., & Louria-Hayon, I. (2025). High CBD extract (CBD-X) modulates inflammation and immune cell activity in rheumatoid arthritis. Frontiers in Immunology, 16, 1599109. https://doi.org/10.3389/fimmu.2025.1599109.
[11] Markovà, J., Essner, U., Akmaz, B., Marinelli, M., Trompke, C., Lentschat, A., & Vila, C. (2019). Sativex® as add-on therapy vs. further optimized first-line antispastics (SAVANT) in resistant multiple sclerosis spasticity: A double-blind, placebo-controlled randomised clinical trial. International Journal of Neuroscience, 129(2), 119–128. https://doi.org/10.1080/00207454.2018.1481066.
 
                                                                         
                                             
                                                                 
                                                                 
                                                                