Medizinisches Cannabis bei Osteoporose: Ein plausibler Ansatz - aber keine Standardtherapie

Key Facts
- Osteoporose entsteht durch eine Störung des Knochenstoffwechsels – nicht akut durch äußere Verletzungen, sondern durch ein Ungleichgewicht im Knochenauf- und -abbau.
- Das Endocannabinoidsystem (ECS) beeinflusst den Knochenstoffwechsel über die Rezeptoren CB1 und CB2.
- Präklinische Studien zeigen: CB2-Aktivierung wirkt knochenschützend, CBD fördert bei Frakturen die Heilung – aber im Menschen fehlen bisher aussagekräftige Ergebnisse.
- Medizinisches Cannabis kann bei Osteoporose-bedingten Schmerzen eine ergänzende Option sein – eine positive Wirkung auf die Knochendichte ist derzeit nicht belegt.
Was ist Osteoporose?
Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, bei der Knochenmasse abnimmt und die Struktur geschwächt wird – oft still und jahrelang. Bei einem Knochenbruch verstärkt sich der Schmerz, und die Mobilität leidet dauerhaft.
Osteoporose betrifft Millionen Menschen, vor allem Frauen in der Menopause und ältere Männer. Neben Calcium, Vitamin D, Bewegung und etablierten Medikamenten wird medizinisches Cannabis als mögliche Option diskutiert – primär wegen möglicher Behandlung der Schmerzen und Entzündungen. Die entscheidende Frage: Wird der Knochenstoffwechsel so beeinflusst, dass Cannabinoide Osteoporose vorbeugen oder behandeln könnten?
Das Endocannabinoidsystem im Knochen
Cannabinoide wie THC und CBD wirken über das körpereigene Endocannabinoidsystem (ECS). Im Knochen steuern CB2-Rezeptoren das Gleichgewicht zwischen Zellen, die für den Knochenaufbau verantwortlich sind (Osteoblasten) und denen, die Knochen abbauen (Osteoklasten). Hier liegt der mögliche Ansatz für Cannabis – zumindest in der Theorie.
Im Tiermodell wurde beschrieben, dass Mäuse, die keinen CB2-Rezeptor haben, einen beschleunigten alterungsbedingten Knochenverlust zeigen - ein Hinweis darauf, dass das Zusammenspiel mit dem CB2-Rezeptor knochenschützend ist [1].
Auch bei Untersuchungen in den Genen von postmenopausalen Frauen wurden unterschiedliche Varianten des CB2-Gens mit Osteoporose in Verbindung gebracht. Das stützt die Relevanz des CB2-Signalwegs für die Knochen-Selbstregulation [2].
Das ECS ist biologisch nachvollziehbar am Knochenstoffwechsel beteiligt – insbesondere über CB2. Ob und wie dies therapeutisch nutzbar ist, muss klinisch belegt werden [3].
Klinische Daten – ein gemischtes Bild
Eins vorweg, es gibt aktuell keine klinischen Studien, die nachweisen, dass medizinisches Cannabis die Knochenmasse verbessert oder Frakturen verhindert.
Beobachtungsstudien zeigen, dass langfristiger Freizeitkonsum von Cannabis mit niedrigerer Knochendichte und höherem Frakturrisiko verbunden ist [4]. Allerdings spielen hier viele Faktoren mit (z.B. BMI, Bewegung) und eine medizinische Nutzung wurde nicht einbezogen. Somit ist die Auswirkung einer medizinischen Dosierung nicht direkt ableitbar – dennoch mahnt der Befund zur Vorsicht.
CBD könnte indirekt die Knochenfestigkeit unterstützen, etwa über verbesserte Heilung und reduzierte Entzündung. In einem Fallbericht wurde eine 12-wöchige Gabe von CBD bei zwei postmenopausalen Frauen mit Osteopenie dokumentiert [5]. Die Behandlung war gut verträglich und ging mit einer deutlichen Verringerung verschiedener Marker des Knochenabbaus und -aufbaus einher. Die Ergebnisse deuten auf potenziell knochenschützende Effekte hin, die in größeren randomisierten Studien weiter untersucht werden sollten.
Bei Schmerzen durch Osteoporose gibt es erste Hinweise, dass Cannabis helfen könnte – z.B. durch Entzündungshemmung oder Muskelentspannung. Aber Studien speziell zur Osteoporose-bedingten Schmerztherapie fehlen noch. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang auch der Einsatz von Medizinalcannabis als Schmerz-Add-on: Besserer Schlaf, geringere Schmerzempfindung in Kombination mit mehr Bewegung können einen indirekten knochenschützenden Effekt liefern.
Risiken und Wechselwirkungen
Der Einsatz von medizinischem Cannabis kann insbesondere zu Beginn der Therapie Nebenwirkungen (v.a. THC-begründet) zeigen wie Sedierung, Schwindel. Das daraus resultierende erhöhte Sturzrisiko ist besonders relevant bei Osteoporose. Daher ist der langsame, ärztlich begleitete Therapieeinstieg unerlässlich.
CBD hemmt u. a. das Enzym CYP2C19/3A4, welches auch bei der Verstoffwechselung vieler anderer Medikamente beteiligt ist. Deshalb gilt es vorsichtig bei gleichzeitiger Einnahme von u.a. Antiresorptiva, Antikoagulanzien und Antikonvulsiva zu sein.
Fazit
Wenn die Behandlung Osteoporose-bedingter Beschwerden durch Standardtherapien (z.B. Bisphosphonate, Vitamin D, Bewegung) ausgeschöpft ist, könnte ein ärztlich begleiteter Einsatz von medizinischem Cannabis als Add-on sinnvoll sein – ausschließlich zur Symptomlinderung, nicht zur Heilung der Osteoporose.
Quellen:
[1] Ofek O, Karsak M, Leclerc N, Fogel M, Frenkel B, Wright K, Tam J, Attar-Namdar M, Kram V, Shohami E, Mechoulam R, Zimmer A, Bab I. Peripheral cannabinoid receptor, CB2, regulates bone mass. Proc Natl Acad Sci U S A. 2006 Jan 17;103(3):696-701.
[2] Karsak M, Cohen-Solal M, Freudenberg J, Ostertag A, Morieux C, Kornak U, Essig J, Erxlebe E, Bab I, Kubisch C, de Vernejoul MC, Zimmer A. Cannabinoid receptor type 2 gene is associated with human osteoporosis. Hum Mol Genet. 2005 Nov 15;14(22):3389-96.
[3] Saponaro F, Ferrisi R, Gado F, Polini B, Saba A, Manera C, Chiellini G. The Role of Cannabinoids in Bone Metabolism: A New Perspective for Bone Disorders. Int J Mol Sci. 2021 Nov 16;22(22):12374.
[4] Sophocleous A, Robertson R, Ferreira NB, McKenzie J, Fraser WD, Ralston SH. Heavy Cannabis Use Is Associated With Low Bone Mineral Density and an Increased Risk of Fractures. Am J Med. 2017 Feb;130(2):214-221.
[5] Kulpa J, Harrison A, Rudolph L, Eglit GML, Turcotte C, Bonn-Miller MO, Peters EN. Oral Cannabidiol Treatment in Two Postmenopausal Women with Osteopenia: A Case Series. Cannabis Cannabinoid Res. 2023 Sep;8(S1):S83-S89.
