Sativa vs. Indica: Warum die klassische Cannabis-Einteilung überholt ist

Cannabis Sativa Indica Vergleich

Sativa und Indica Einteilung: Key Facts

  • Der Ursprung der Sativa-Indica-Einteilung liegt bereits im 18. Jahrhundert.
  • Neue Studien hinterfragen die Gültigkeit dieser Einteilung und zeigen, dass genetisch betrachtet alle existierenden Cannabissorten auf die Urpflanze “Cannabis sativa” zurückgehen.
  • Alternative Einteilung in “Chemovare”: Cannabissorten werden anhand ihres chemischen Profils unter Berücksichtigung von Cannabinoiden (u.a. THC und CBD) sowie Terpenen in verschiedene Kategorien gruppiert

Sativa vs. Indica: Was besagt diese Aufteilung und wie ist sie entstanden?

Auch wenn Hanf bereits seit Jahrtausenden als Nutz- und Heilpflanze verwendet wurde, so erfolgte eine Klassifizierung durch Forschende erst im 18. Jahrhundert. Diese Einordnung in die zwei wesentlichen Kategorien, nämlich in Sativa und Indica, ist bis heute noch von großer Bedeutung und in der Cannabistherapie gebräuchlich. 

Der schwedische Forscher Carl von Linné beschrieb 1753 zum ersten Mal die Hanfpflanze Cannabis sativa, den (sogenannten) “gewöhnlichen Hanf”. Er ging davon aus, dass es sich um eine monotypische Gattung handele, die also nur eine Art umfasst. 30 Jahre später kam es dann aber zur Entdeckung einer anderen Hanfsorte aus Indien durch den Franzosen Jean-Baptiste de Lamarck. Er gab dieser Sorte den Namen Cannabis indica, also “indischer Hanf”. 

Wie unterscheiden sich sativa- und indica-dominante Hanfsorten aber eigentlich genau? Ein kleiner Überblick gibt Aufschluss über die verschiedenen möglichen Wirkweisen und Pflanzenmerkmale: 



Vergleich_Cannabis_Sativa_und_Indica


Sativa:

  • verursacht möglicherweise ein eher kopflastiges High
  • kann anregend, aktivierend, motivierend und appetitfördern wirken
  • hoher, schlacksiger Wuchs
  • lange, schmale, hellgrüne Blätter
  • luftige Buds

Indica:

  • verursacht möglicherweise ein eher körperlastiges High
  • kann stark beruhigend, entspannend, schlaffördernd wirken
  • kann Schmerzen und Stress entgegenwirken
  • kleiner, kompakter Wuchs
  • breitere, dunkelgrüne Blätter
  • dichte Buds


Darum ist die traditionelle Sativa-Indica-Klassifikation womöglich überholt

Auch wenn den meisten Anwendenden die Sativa-Indica-Einteilung geläufig ist, offenbaren neue und aktuelle Studien, dass diese Zuweisung überholt ist. Grund dafür ist unter anderem eine Untersuchung [1], bei der eine Forschungsgruppe weltweit Proben von 110 verschiedenen Cannabissorten gesammelt hat. Untersucht wurde das gesamte Erbgut dieser Sorten, um sie zu ihren genetischen Ursprüngen zurückzuverfolgen. Die Studie ergab, dass es zwar eindeutig verschiedene Linien von Cannabis und Hanf gibt, der Ursprung aller untersuchten Cannabissorten allerdings in der Urpflanze Cannabis sativa liegt. Die traditionelle Unterscheidung in Sativa und Indica könnte also deutlich weniger Relevanz haben, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Bemängelt wird von Forschenden unter anderem auch, dass die Unterscheidung nach Sativa und Indica möglicherweise irreführend ist, da sie auf einer eher zufälligen Verbindung von äußerlichen, physiologischen, chemischen und geografischen Merkmalen beruht. Beispielsweise werden Sorten aus ähnlichen Regionen oder mit gleichartigem Aussehen automatisch der gleichen Kategorie zugeordnet.


Chemovar-Zuteilung als Alternative

Die Einteilung in Indica und Sativa kann somit aufgrund des genetischen Profils nicht klar begründet werden [2, 3]. Eine sinnvollere Variante wäre daher eine chemische Einordnung, wie sie von einigen Forschenden bereits vorgeschlagen wurde. Cannabissorten sollten laut ihnen nach ihren chemischen Unterschieden eingeteilt werden, in die sogenannten “Chemovare”. Diese geben beispielsweise Auskunft darüber, ob eine Pflanze ein größeres CBD-zu-THC-Verhältnis besitzt oder umgekehrt. Bei der Chemovar-Klassifikation wird außerdem auf die Kombination zwischen Cannabinoiden und Terpenen geachtet, nicht nur rein auf den Cannabinoiden-Gehalt.

Die chemische Bestimmung von Cannabissorten ist deutlich genauer und verlässlicher. Dennoch sollte weiterhin im Hinterkopf behalten werden, dass es noch eine Vielzahl weiterer Faktoren gibt, die die Wirkung beeinflussen können. So ist nicht nur der Cannabinoid- oder Terpenanteil entscheidend für die Wirkung der Cannabisblüte, sondern auch die Wuchsbedingungen der jeweiligen Pflanze, welche unter anderem geprägt werden von der Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder der Lichtmenge sowie der Lichtqualität.


Die traditionelle Einteilung in Sativa und Indica ist längst nicht mehr aktuell und vernachlässigt eine Vielzahl weiterer wichtiger Faktoren, die ebenfalls ausschlaggebend für den Effekt von Cannabis sind. Aus diesem Grund sind weitere Experimente in der Forschung dringend nötig, damit sowohl ÄrztInnen als auch PatientInnen die passende und effektivste Cannabissorte finden bzw. ermitteln können - beispielsweise für die Linderung bestimmter Symptome oder für eine spezielle Indikation.


Quellen

[1] Ren, G., Zhang, X., Li, Y., Ridout, K., Serrano-Serrano, M. L., Yang, Y., Liu, A., Ravikanth, G., Nawaz, M. A., Mumtaz, A. S., Salamin, N., & Fumagalli, L. (2021). Large-scale whole-genome resequencing unravels the domestication history of Cannabis sativa. Science advances, 7(29), eabg2286.
[2] Sawler J, Stout JM, Gardner KM, et al. The Genetic Structure of Marijuana and Hemp. PLoS One 2015;10(8): e0133292.
[3] Watts S, McElroy M, Migicovsky Z, et al. Cannabis labelling is associated with genetic variation in terpene synthase genes. Nature Plants 2021;7(10):1330–1334.

Autor: Dr. Nadine Herwig
Dr. Nadine Herwig - Leiterin Grünhorn Academy
Dr. Nadine Herwig studierte von 2006 bis 2010 Angewandte Naturwissenschaften an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Ihre Promotion führte sie am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf am Institut für Radiopharmazie durch. Zu ihren bislang publizierten wissenschaftlichen Arbeiten gehören u. a. Originalartikel auf dem Gebiet der Hautkrebsforschung und der Biomarker.