Das Endocannabinoidsystem | GH Academy

UPDATE: Dieser Artikel wurde im Januar 2025 überarbeitet.
Key Facts
- Schlüsselrolle des Endocannabinoidsystems (ECS): Das ECS reguliert wichtige Körperfunktionen wie Schmerz, Stress, Schlaf und das Immunsystem. Es besteht aus CB1- und CB2-Rezeptoren, Endocannabinoiden und Enzymen, die zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Körper beitragen.
- Cannabinoide und ihre Wirkung: Körpereigene Endocannabinoide sowie pflanzliche Phytocannabinoide wie THC und CBD interagieren mit dem ECS. Während THC psychoaktive Effekte hat, entfaltet CBD entzündungshemmende und angstlösende Eigenschaften ohne Rauschwirkung.
- Therapeutisches Potenzial von Cannabis: Medizinisches Cannabis wird aufgrund seiner Interaktion mit dem ECS zur Behandlung von Schmerzen, Schlafstörungen, Stress und entzündlichen Erkrankungen genutzt. Aktuelle Forschung legt nahe, dass die gezielte Beeinflussung des ECS vielfältige gesundheitliche Vorteile bieten kann.
Oftmals sprechen Mediziner:innen vom ECS, einem System, welches auf viele grundlegende Funktionen in unserem Körper Einfluss nimmt. Doch was genau steckt hinter dem Begriff ECS? Wie setzt es sich zusammen und was hat das mit Cannabis zu tun?
Was ist das Endocannabinoidsystem?
Hinter der Abkürzung „ECS“ verbirgt sich der Begriff Endocannabinoidsystem: ein System, ein Netzwerk von Rezeptoren, Molekülen und Enzymen, das in nahezu jedem Gewebe des menschlichen Körpers zu finden ist und so auf viele grundlegende Körperfunktionen Einfluss nimmt bzw. diese steuert. Das ECS ist beispielsweise an der Steuerung des Immunsystems und an der Funktion des zentralen Nervensystems beteiligt. Das ECS ist, aus wissenschaftlicher Sicht, eine relativ junge Entdeckung, denn es wurde erstmalig im Jahr 1988 erforscht. Seither werden Funktions- und Wirkweise tiefgreifend untersucht, dennoch sind Forscher von einer vollständigen wissenschaftlichen Aufklärung des ECS derzeit noch weit entfernt.
Bestandteile des ECS
Unser ECS besteht aus drei wesentlichen Bestandteilen: den Endocannabinoiden, den dazugehörigen Rezeptoren sowie Enzymen.
- Endocannabinoide: Dies sind körpereigene Moleküle („endo“ bedeutet körpereigen), die ähnlich wie die Cannabinoide in der Cannabispflanze wirken. Die bekanntesten Endocannabinoide sind Anandamid (AEA) und 2-Arachidonoylglycerol (2-AG).
- Rezeptoren: Diese befinden sich auf Zelloberflächen und nehmen Signale der Endocannabinoide wahr. Die wichtigsten Rezeptoren sind CB1 und CB2:
- CB1-Rezeptoren kommen vor allem im Gehirn und im zentralen Nervensystem vor.
- CB2-Rezeptoren befinden sich hauptsächlich in Immunzellen und peripheren Geweben.
- Enzyme: Enzyme wie FAAH (Fettsäureamid-Hydrolase) und MAGL (Monoacylglycerol-Lipase) sind für den Abbau der Endocannabinoide verantwortlich, sobald sie ihre Funktion erfüllt haben.
Cannabinoide
Neben den bereits genannten Endocannabinoiden gibt es auch Phytocannabinoide, die gemäß ihrer Bezeichnung pflanzlichen Ursprungs sind („phyto“ = griech.: pflanzlich). Phytocannabinoide ähneln in ihrer Form sehr stark den Endocannabinoiden, weshalb sie ebenfalls Cannabinoidrezeptoren aktivieren können. Zu den bekanntesten Phytocannabinoiden gehören:
- THC (Tetrahydrocannabinol) – primäres Cannabinoid mit psychoaktiver Wirkung
- CBD (Cannabidiol) – bietet eine breite therapeutische Anwendung ohne psychoaktive Wirkung
- CBC (Cannabichromen) – nicht psychoaktiv und meist nur sehr niedrig vorhanden
- CBG (Cannabigerol) – Vorstufe von THC, CBD und CBC mit eigenen therapeutisch wirksamen Eigenschaften
- CBN (Cannabinol) – entsteht bei Zersetzung von THC, Wirksamkeit im Vgl. zu THC um einiges niedriger
- THCV (Tetrahydrocannabivarin) neutrale Substanz, welcher Rezeptoren stimuliert
Darüber hinaus gibt es auch synthetisch hergestellte Cannabinoide. Diese sind äußerst kritisch zu betrachten und sollten nie in Erwägung gezogen werden, denn sie sind nicht mit den „natürlichen“ Cannabinoiden verwandt. Ursprünglich wurden sie zur Schmerzlinderung entwickelt, um eine therapeutische Wirkung hervorzurufen. Jedoch wurden sie zunehmend in illegalen Kräutermischungen oder Räucherstäbchen gefunden. Die Wirkweise von synthetischen Cannabinoiden ist meist schwer abschätzbar. Zusätzlich ist bislang nur wenig über die körperliche und psychische Auswirkung und das Sicherheitsprofil bekannt.
CB1 und CB2 Rezeptoren
An CB1 und CB2 Rezeptoren binden sowohl menschliche als auch pflanzliche Cannabinoide und erzeugen somit eine Wirkung. Der CB1-Rezeptor ist vorwiegend auf Nervenzellen lokalisiert, findet sich jedoch in teils niedrigen Konzentrationen auch in vielen anderen Organen und Geweben, beispielsweise in Haut, Knochen, Milz, Herz, ableitenden Harnwegen, endokrinen Drüsen, Magen-Darm-Trakt, Reproduktionsorganen, Speicheldrüsen und Leukozyten. Der CB2-Rezeptor befindet sich vorwiegend auf Zellen des Immunsystems.
Wie wirkt das ECS?
Das ECS ist im Wesentlichen ein Regulationssystem. Es hilft dem Körper, ein Gleichgewicht (Homöostase) aufrechtzuerhalten, indem es verschiedene physiologische Prozesse beeinflusst. Hier sind einige der Hauptfunktionen:
- Regulation von Schmerzen: Endocannabinoide können Schmerzsignale im Nervensystem modulieren und so zu einer Schmerzlinderung beitragen.
- Stimmung und Stress: Das ECS spielt eine Rolle bei der Regulierung von Gefühlen wie Angst, Freude und Stress. Anandamid wird oft als "Glücksmolekül" bezeichnet, da es an Gefühlen von Wohlbefinden beteiligt ist.
- Immunsystem: Durch die CB2-Rezeptoren kann das ECS Entzündungen hemmen und die Immunantwort regulieren.
- Appetit und Stoffwechsel: Das ECS beeinflusst den Hunger und den Energiehaushalt, was es zu einem interessanten Forschungsfeld für die Behandlung von Adipositas macht.
- Schlaf: Es gibt Hinweise darauf, dass das ECS in die Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus eingebunden ist.
Die Funktionsweise des ECS versteht sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Die verschiedenen Cannabinoide bewegen sich frei im Körper und fungieren als eine Art Schlüssel. Die Rezeptoren hingegen befinden sich an unterschiedlichen Stellen im Körper und agieren als Schloss. Sie binden die Cannabinoide und entfalten somit ihre vielfältigen Effekte im Körper.
Aufgrund einer Erkrankung kann es zu einem Ungleichgewicht im ECS kommen, was wiederum zu einer Fehlregulierung weiterer Prozesse im Körper führt. Die Zufuhr von Phytocannabinoiden kann dazu führen, dass das Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Die Beeinflussung des Systems wird dann als agonistisch (gleichgesetzt) bezeichnet, d.h. als Ersatztherapie, wenn die körpereigene Substanz (in diesem Falle das Endocannabinoid) fehlt.
ECS und Cannabis
Die Inhaltstoffe der Cannabispflanze weisen vielfältige Wirkungen im gesamten menschlichen Körper auf. Insbesondere THC und CBD stehen dabei als Hauptinhaltsstoffe im Fokus.
- THC bindet hauptsächlich an CB1-Rezeptoren und ist für die psychoaktiven Effekte von Cannabis verantwortlich.
- CBD hat keine berauschende Wirkung, kann aber mit dem ECS interagieren und entzündungshemmende sowie angstlösende Eigenschaften entfalten.
Da das ECS an der Regulierung vieler körperlicher Prozesse beteiligt ist, geht man davon aus, dass dies der Grund für die breiten Einsatzmöglichkeiten von medizinischem Cannabis bei verschiedenen Erkrankungen und Beschwerden ist. Indem durch Forschung mehr über dessen Funktionsweise herausgefunden wird, wird es auch möglich, die therapeutische Nutzung von Cannabis immer spezifischer zu gestalten. Bereits jetzt deuten die bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen darauf hin, dass Cannabis in unterschiedlichen Zusammensetzungen als Arzneimittel zur Behandlung diverser Krankheitsbilder dienen kann.
Fakten am Rande
- Die Cannabinoide der Cannabispflanze (hauptsächlich THC und CBD) haben erst zur Entdeckung des Endocannabinoidsystems geführt.
- Die Konzentration an CB1-Rezeptoren im Hirnstamm, welcher für elementare Lebensfunktionen (z.B. Kreislauf und Atmung) zuständig ist, ist niedrig. Folglich wird davon ausgegangen, dass eine Überdosierung von z. B. THC bei gesunden Menschen keine lebensbedrohlichen Auswirkungen zur Folge hat.
- Phytocannabinoide liegen nur in saurer Form in der Pflanze vor, also nicht psychoaktiv. Seine psychoaktive Wirkung entfaltet THC erst nach der Decarboxylierung (chemische Reaktion, die z.B. durch Erhitzen ausgelöst wird).
Fazit
Das ECS ist ein Schlüsselmechanismus des Körpers, der viele lebenswichtige Prozesse steuert. Obwohl es noch viel zu erforschen gibt, hat die Entdeckung des ECS die Medizin revolutioniert und neue Wege für Therapien eröffnet. Wenn wir verstehen, wie dieses System funktioniert, können wir gezielt darauf einwirken, um die Gesundheit und das Wohlbefinden zu verbessern.