Von der Regeneration bis zum Risiko: Cannabis im Leistungssport

Key Facts:
- Cannabis kann Sportler:innen helfen: CBD und THC wirken schmerzlindernd, entzündungshemmend und fördern Regeneration sowie Schlafqualität. CBD reduziert zudem Angst und Stress, was die mentale Leistungsfähigkeit verbessern kann.
- THC ist im Wettkampf verboten: THC steht auf der Dopingliste der WADA, mit einem Grenzwert von 150 ng/ml im Urin. Der Konsum kann zu kognitiven Einschränkungen, längerer Reaktionszeit und gesteigerter Risikobereitschaft führen.
- Runner’s High beruht auf Anandamid: Das körpereigene Endocannabinoid Anandamid, nicht Endorphine, verursacht das „Runner’s High“ durch Angstlösung, Leistungssteigerung und Euphorie – ganz ohne Cannabiskonsum.
Der Einsatz von Cannabis im Zusammenhang mit Sport sorgt seit Jahren für eine anhaltende Debatte unter Athlet:innen, Sportler:innen, Funktionär:innen und der Wissenschaft. Während einige die Wirkung von Cannabinoiden wie CBD oder THC als potenziellen Nutzen für Regeneration, Schmerzlinderung und Erholung sehen, warnen andere vor möglichen Nachteilen, wie kognitiven Beeinträchtigungen, längerer Reaktionszeit oder einer gesteigerten Risikobereitschaft. Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat klare Regeln zur Substanznutzung im Wettkampf festgelegt und führt THC auf ihrer Dopingliste.
Doch wie wirken Cannabisprodukte tatsächlich auf den Körper von Sportlern und Sportlerinnen? Welche Rolle spielt das körpereigene Anandamid beim berühmten „Runner’s High“? Und wie beeinflussen Aktivität, Fitness, Training oder der Konsum von Cannabis als Medizin die Leistungsfähigkeit? In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Fragen, die aktuellen Studien, rechtliche Vorgaben und die Auswirkungen auf Spieler:innen verschiedenster Disziplinen.
Vorteile von Cannabis im Sport: Schmerzlinderung, Erholung und mehr
Zahlreiche Studien zeigen, dass Cannabis – insbesondere das nicht-psychoaktive Cannabidiol (CBD) – vielfältige Nutzen für Sportlerinnen und Sportler haben kann:
- Schmerzlinderung und Entzündungshemmung: Sowohl THC als auch CBD zeigen in Studien starke schmerzstillende Eigenschaften. CBD ist insbesondere für seine entzündungshemmende Wirkung bekannt.1,2
- Regeneration und Schlaf: Cannabis fördert die Erholung, indem es Muskelverspannungen lindert. THC hat eine sedierende Wirkung, während CBD die Schlafqualität verbessern kann.3
- Angstreduktion und mentale Gesundheit: Athlet:innen nutzen CBD, um Angst, Stress oder Wettkampfnervosität zu reduzieren.4 Das kann die Risikobereitschaft und Reaktionszeit verbessern.
- Steigerung der Konzentration: Zwar berichten einige Sportler:innen von erhöhter Konzentration oder mentalem Fokus durch CBD, doch wissenschaftliche Studien zur kognitiven Leistungssteigerung im Sportkontext fehlen bisher.5
- Förderung der Durchblutung: Die oft genannte Verbesserung der Durchblutung durch THC ist bislang rein theoretisch – belastbare wissenschaftliche Nachweise fehlen.
Cannabis auf der Dopingliste – Was sagt die Welt-Anti-Doping-Agentur?
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat THC und andere Cannabinoide (außer CBD) bereits seit 1999 auf ihrer Dopingliste. Im Wettkampf ist der Cannabiskonsum somit verboten. Das umfasst:
- Cannabisblüten, Cannabisharz, natürliches & synthetisches THC
- Synthetische Cannabinoide, die THC imitieren (z.B. Nabilon)
CBD ist nicht verboten, darf jedoch keine THC-Rückstände enthalten. Während THC im Training erlaubt sein kann, drohen bei einem Grenzwert von über 150 ng/ml THC im Urin Strafen.6

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Anandamid statt Endorphine: Die Wissenschaft hinter dem „Runner’s High“
Das sogenannte Runner’s High, das viele Sportlerinnen und Sportler nach intensiver Betätigung erleben, äußert sich in einem Zustand tiefer Euphorie, gesteigerter Motivation und reduzierter Angst. Lange Zeit wurde vermutet, dass diese positiven Effekte auf körpereigene Endorphine zurückzuführen sind.
Neuere Studien zeigen jedoch, dass das Endocannabinoid Anandamid eine entscheidende Rolle spielt. Im Gegensatz zu Endorphinen kann Anandamid die Blut-Hirn-Schranke überwinden und wirkt dabei ähnlich wie THC, allerdings auf natürliche Weise. Die Wirkung dieses körpereigenen Cannabinoids belohnt körperliche Aktivität, steigert die Leistungsbereitschaft und wirkt angstlösend – ein evolutionärer Vorteil, der es Menschen ermöglicht, lange Strecken zurückzulegen, ohne Angst zu verspüren. Damit liefert die Wissenschaft eine fundierte Erklärung dafür, warum viele Läufer:innen ein Hochgefühl erleben – ganz ohne Cannabiskonsum oder Joint.7,8,9
THC-Abbau beim Sport: Wird THC durch Aktivität schneller abgebaut?
Die Frage, ob körperliche Betätigung den THC-Abbau beschleunigt, ist nicht leicht zu beantworten:
- Mobilisierung durch Fettabbau: THC wird im Fettgewebe gespeichert. Intensive Aktivität kann THC freisetzen und den Blutspiegel kurzfristig erhöhen.10
- Langfristige Effekte: Sport kann über Fettabbau den THC-Speicher im Körper senken – doch es gibt keine klaren Belege für einen beschleunigten Stoffwechsel durch Training allein.11
Risiken, Nachteile und rechtliche Fragen beim Einsatz von Cannabis im Sport
Trotz der viel diskutierten Vorteile und medizinisch potenziellen Nutzen von Cannabis im Sport dürfen die damit verbundenen Risiken, Nachteile und rechtlichen Unsicherheiten nicht außer Acht gelassen werden.
Besonders das psychoaktive THC kann zu deutlichen kognitiven Einschränkungen führen – etwa einer verlängerten Reaktionszeit oder einer erhöhten Risikobereitschaft, was vor allem bei schnellen oder technisch anspruchsvollen Bewegungsabläufen problematisch ist. Hinzu kommt die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit sowie einer Toleranzentwicklung bei regelmäßigem Cannabiskonsum, was sich langfristig negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirken kann.
Auch die rechtliche Lage ist komplex: Obwohl die Legalisierung von Marihuana in einigen Ländern voranschreitet, bleibt der Umgang mit Cannabis in vielen Sportarten durch die Vorgaben der Welt-Anti-Doping-Agentur streng reglementiert. Die Aufnahme von THC auf die Dopingliste und die Einhaltung des festgelegten Grenzwerts im Wettkampf stellen für viele Athlet:innen und Sportler:innen ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar – insbesondere dann, wenn nationale Gesetze und internationale Regeln auseinanderklaffen.
Fazit: Cannabis und Sport – zwischen Nutzen und Risiko
Die Debatte um Cannabis im Sport bleibt komplex. Einerseits belegen Studien die positiven Effekte von Cannabidiol auf Schmerzen, Erholung, Schlaf und Leistung. Andererseits birgt vor allem THC Risiken – sowohl gesundheitlich als auch in Hinblick auf die Dopingregeln.
Für Athlet:innenen, die Cannabis zur Regeneration oder mentalen Stärkung einsetzen möchten, gilt: Nur in Absprache mit Fachpersonal – und immer mit Blick auf die Regeln ihrer Organisation und die Welt-Dopingliste.
Quellen:
[1] Isenmann, E., Veit, S., Starke, L., Flenker, U.,
& Diel, P. (2021). Effects of cannabidiol supplementation on
skeletal muscle regeneration after intensive resistance training.
Nutrients, 13(9), 3028. https://doi.org/10.3390/nu13093028
[2]
Rojas-Valverde, D., & Fallas-Campos, A. (2023). Cannabidiol in
sports: Insights on how CBD could improve performance and recovery.
Frontiers in Pharmacology, 14, 1210202.
https://doi.org/10.3389/fphar.2023.1210202
[3] Flores, V. A., Kisiolek, J. N., Ramani, A., Townsend, R., Rodriguez,
E., Butler, B., & Stewart, L. K. (2023). Effects of oral
cannabidiol on health and fitness in healthy adults: An 8-week
randomized trial. Nutrients, 15(12), 2664.
https://doi.org/10.3390/nu15122664
[4] McCartney, D., Benson, M. J., Desbrow, B., Irwin, C., Suraev, A.,
& McGregor, I. S. (2020). Cannabidiol and sports performance: A
narrative review of relevant evidence and recommendations for future
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https://doi.org/10.1186/s40798-020-00251-0
[5] McCartney, D., Benson,
M. J., Desbrow, B., Irwin, C., Suraev, A., & McGregor, I. S.
(2020). Cannabidiol and sports performance: A narrative review of
relevant evidence and recommendations for future research. Sports
Medicine - Open, 6(1), 27. https://doi.org/10.1186/s40798-020-00251-0
(Doppelt genannt, identisch mit [4])
[6] World Anti-Doping Agency
(WADA). (2024). 2024 Prohibited list – Explanatory document.
https://www.wada-ama.org/sites/default/files/2022-09/2023list_explanatory_list_en_final_26_september_2022.pdf
[7] Fuss, J., Steinle, J., Bindila, L., Auer, M. K., Kirchherr, H.,
Lutz, B., & Gass, P. (2015). A runner’s high depends on cannabinoid
receptors in mice. Proceedings of the National Academy of Sciences,
112(42), 13105–13108. https://doi.org/10.1073/pnas.1514996112
[8] Heyman, E., Gamelin, F. X., Goekint, M., Piscitelli, F., Roelands,
B., Leclair, E., Di Marzo, V., & Meeusen, R. (2012). Intense
exercise increases circulating endocannabinoid and BDNF levels in
humans—Possible implications for reward and depression.
Psychoneuroendocrinology, 37(6), 844–851.
https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2011.09.017
[9] Siebers, M., Biedermann, S. V., & Fuss, J. (2023). Do
endocannabinoids cause the runner’s high? Evidence and open questions.
The Neuroscientist, 29(3), 352–369.
https://doi.org/10.1177/10738584211069981
[10] Hider, S. L.,
Whitehurst, D. G., Thomas, E., & Foster, N. E. (2015). Pain location
matters: The impact of leg pain on health care use, work disability and
quality of life in patients with low back pain. European Spine Journal,
24(3), 444–451. https://doi.org/10.1007/s00586-014-3355-2
[11] Mori,
Y., Ishiguro, H., Kuwabara, Y., Kimura, M., Mitsui, A., Kurehara, H.,
Mori, R., Tomoda, K., Ogawa, R., Katada, T., Harata, K., & Fujii, Y.
(2007). Expression of ECRG4 is an independent prognostic factor for
poor survival in patients with esophageal squamous cell carcinoma.
Oncology Reports, 18(4), 981–985. https://doi.org/10.3892/or.18.4.981