Cannabis bei Depressionen: Chancen, Risiken und wiss. Erkenntnisse | GH Academy
Key Facts Einsatz von Cannabis bei Depressionen
- Cannabis wird zunehmend als potenzielle Behandlungsoption für Depressionen untersucht. Es wirkt auf das Endocannabinoid-System (ECS), das eine Rolle bei der Regulierung von Stimmung und Emotionen spielt.
- Ein Ungleichgewicht im ECS kann mit Depressionen zusammenhängen.
- Studien belegen, dass CBD vielversprechende antidepressive Effekte zeigen kann. Allerdings können höhere Dosen von THC zu negativen Effekten führen, wie der Verstärkung von Angstsymptomen.
- Die unkontrollierte Einnahme von THC kann die Depressionssymptome verschlechtern und das Risiko einer Abhängigkeit erhöhen. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind zu beachten. Daher sollte der Einsatz nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
In den letzten Jahren hat das Interesse an Cannabis als mögliche Behandlungsoption bei Depressionen zugenommen. Die therapeutische Wirkung von Cannabis ist seit Jahrhunderten bekannt, aber erst moderne Studien liefern fundierte Erkenntnisse über seinen potenziellen Nutzen und die damit verbundenen Risiken, insbesondere im Bereich psychischer Erkrankungen. Dieser Blog-Beitrag beleuchtet aktuelle Forschungsergebnisse, Potenziale sowie Risiken des Einsatzes von Cannabis bei Depressionen.
Cannabis und das Endocannabinoid-System bei Depressionen
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. Konventionelle Behandlungen umfassen Psychotherapie und Antidepressiva, die jedoch nicht für jeden Patienten bzw. jede Patientin wirksam sind und häufig Nebenwirkungen mit sich bringen. Aus diesem Grund suchen viele Betroffene nach alternativen Therapieansätzen, darunter auch Cannabis. Die Wirksubstanzen von Cannabis, hauptsächlich THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol), interagieren mit dem Endocannabinoid-System (ECS) des Körpers, welches unter anderem eine Rolle bei der Regulierung von Stimmung und Emotionen spielt1.
Studien legen nahe, dass ein Ungleichgewicht oder eine Dysfunktion des ECS mit Depressionen zusammenhängen kann2. Ein niedriger Endocannabinoid-Spiegel könnte die Fähigkeit des Gehirns beeinträchtigen, Stress zu bewältigen oder emotionale Stabilität zu fördern. Das ECS beeinflusst aber auch die Freisetzung von Neurotransmittern wie Serotonin, das oft als "Glückshormon" bezeichnet wird3. Serotonin spielt eine zentrale Rolle bei der Linderung depressiver Symptome, und das ECS kann diesen Prozess unterstützen. Das ECS fördert zudem die Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen und zu verändern. Bei Depressionen ist diese Anpassungsfähigkeit oft eingeschränkt4, und eine Aktivierung des ECS könnte dabei helfen, geschädigte neuronale Verbindungen zu reparieren.
Aktuelle Studien zur Wirksamkeit von Cannabis bei Depressionen
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien durchgeführt, die die Wirkung von Cannabis bei Depressionen untersuchten. Hier eine Übersicht wichtiger Ergebnisse:
- Studie 1: Klinische Effekte von CBD bei Depressionen Eine brasilianische Studie untersuchte die antidepressive Wirkung von CBD bei Tieren5. Die Ergebnisse zeigten, dass CBD eine schnelle und nachhaltige antidepressive Wirkung entfalten kann, indem es die Serotonin-Rezeptoren im Gehirn aktiviert. Diese Ergebnisse sind vielversprechend, müssen jedoch noch in klinischen Studien am Menschen weiter untersucht werden.
- Studie 2: Einfluss von THC auf depressive Symptome THC, der psychoaktive Hauptbestandteil von Cannabis, kann ebenfalls die Stimmung beeinflussen. Eine 2018 veröffentlichte Studie an der University of Illinois ergab, dass niedrige THC-Dosen kurzfristig stimmungsaufhellend wirken können6. Bei höheren Dosen jedoch nahmen die Angstsymptome bei den Probanden zu, was das Risiko von Nebenwirkungen und negativen Effekten auf die Psyche verdeutlicht.
- Studie 3: Langzeitwirkung und Abhängigkeitspotenzial Eine aktuelle, systematische Übersichtsarbeit, die 2024 im Journal „Frontiers in Psychiatry“ veröffentlicht wurde, analysierte Langzeitstudien zum Einsatz von Cannabis bei Depressionen7. Es wurde festgestellt, dass langfristiger, unregulierter Cannabis-Konsum das Risiko einer Substanzabhängigkeit erhöhen kann und bei bestimmten Personen die Depressionssymptome sogar verschlechtert.
Die Studienlage deutet darauf hin, dass Cannabis durchaus potenziell antidepressive Wirkungen hat, jedoch in der Dosierung und Art der Anwendung sorgfältig kontrolliert werden sollte, um negative Auswirkungen zu vermeiden.
Wie wirkt Cannabis im Gehirn?
Cannabis wirkt auf das Endocannabinoid-System, ein Teil des Nervensystems, das unter anderem an der Regulierung von Stimmung, Stressreaktionen und Angst beteiligt ist. Die Hauptwirkstoffe THC und CBD interagieren mit den CB1- und CB2-Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems:
- THC aktiviert die CB1-Rezeptoren und verursacht eine psychoaktive Wirkung. Diese kann in niedrigen Dosen entspannend wirken und positive Gefühle fördern, während hohe Dosen oft Angst oder Paranoia hervorrufen können.
- CBD hingegen hat keine psychoaktive Wirkung und scheint eine beruhigende Wirkung auf den Organismus zu haben, indem es die Wirkung von Serotoninrezeptoren im Gehirn moduliert.
Durch diese komplexen Wirkmechanismen kann Cannabis theoretisch auf stimmungsregulierende Prozesse Einfluss nehmen und eine Rolle im Depressionsmanagement spielen.
Risiken und Nebenwirkungen der Cannabis-Einnahme bei Depressionen
Trotz der potenziellen Vorteile ist Cannabis keine risikofreie Substanz. Besonders bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen ist Vorsicht geboten:
- Risiko der Verschlechterung von Symptomen: Besonders bei jungen Menschen oder Menschen mit einer genetischen Veranlagung für psychische Erkrankungen kann der regelmäßige Konsum von THC die Depressionssymptome verstärken oder sogar das Risiko für Psychosen erhöhen.
- Abhängigkeit und Toleranzentwicklung: Längerer, unkontrollierter Cannabis-Konsum kann zur Entwicklung einer psychischen Abhängigkeit führen, was langfristig mehr Schaden als Nutzen bringt.
- Interaktion mit anderen Medikamenten: Cannabis kann mit anderen Antidepressiva oder Medikamenten interagieren, was die Wirkung der Präparate beeinträchtigen kann. Eine Konsultation mit einem Arzt ist daher vor der Anwendung unbedingt ratsam.
- Negative Auswirkungen auf die kognitive Funktion: Besonders bei Menschen, die THC in hohen Dosen konsumieren, können sich Konzentrationsschwäche und Gedächtnisprobleme verstärken, was die Lebensqualität weiter beeinträchtigen kann.
CBD vs. THC: Welches Cannabinoid ist besser geeignet?
CBD wird oft als weniger risikobehaftete Alternative zu THC angesehen. Die meisten Studien deuten darauf hin, dass CBD stimmungsaufhellende Effekte haben kann, ohne die negativen psychoaktiven Nebenwirkungen von THC zu verursachen. Da CBD nicht abhängig macht und weniger Nebenwirkungen hat, wird es oft als sicherer betrachtet, besonders für Personen mit Depressionen.
Fazit: Der gezielte Einsatz von Cannabis bei Depressionen
Der Einsatz von Cannabis bei Depressionen hat Potenzial, sollte jedoch mit großer Vorsicht und unter ärztlicher Anleitung erfolgen. Die bisherige Studienlage deutet darauf hin, dass Cannabis in bestimmten Fällen eine lindernde Wirkung auf depressive Symptome haben kann. Gleichzeitig sind jedoch die Risiken erheblich, insbesondere bei unkontrolliertem Konsum und hohen Dosen von THC.
Eine mögliche Behandlungsstrategie könnte darin bestehen, primär CBD-Produkte einzusetzen und THC nur in geringer Dosierung und unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden. Besonders für Patient:innen, bei denen herkömmliche Therapieansätze nicht wirksam sind, könnte Cannabis – insbesondere CBD – eine mögliche Alternative darstellen.
Hinweis: Der Einsatz von Cannabis bei psychischen Erkrankungen sollte stets unter medizinischer Begleitung erfolgen. Dieser Artikel dient ausschließlich informativen Zwecken und ersetzt keine ärztliche Beratung.
Quellen
[1] Willen, C. Cannabisbasierte Arzneimittel: Therapieoption für die Psyche. Dtsch Arztebl 2021; 118(10): A-512/B-431.
[2] Obermanns J, Meiser H, Hoberg S, Vesterager CS, Schulz F, Juckel G, Emons B. Genetic variation of the 5-HT1A rs6295, 5-HT2A rs6311, and CNR1 rs1049353 and an altered endocannabinoid system in depressed patients. Brain Behav. 2023 Dec;13(12):e3323.
[3] Dingermann T. Grundlagen der Pharmakologie von Cannabinoiden. Schmerzmed. 2021;37(Suppl 1):8–13. German.
[4] Der Weg aus der Depression - Spektrum der Wissenschaft abgerufen am 15.11.2024
[5] Silote GP, Sartim A, Sales A, Eskelund A, Guimarães FS, Wegener G, Joca S. Emerging evidence for the antidepressant effect of cannabidiol and the underlying molecular mechanisms. J Chem Neuroanat. 2019 Jul;98:104-116.
[6] Cuttler C, Spradlin A, McLaughlin RJ. A naturalistic examination of the perceived effects of cannabis on negative affect. J Affect Disord. 2018 Aug 1;235:198-205.
[7] Sorkhou M, Dent EL, George TP. Cannabis use and mood disorders: a systematic review. Front Public Health. 2024 Apr 9;12:1346207.