Teilnahme am Straßenverkehr und medizinisches Cannabis – unproblematisch?

Medizinisches Cannabis Fahrtüchtigkeit unproblematisch

Für viele Patienten und Patientinnen stellt sich häufig die Frage: Darf ich als Anwenderin und Anwender von medizinischem Cannabis Auto fahren und am Straßenverkehr teilnehmen?
Die Anwendung von Cannabis nach medizinischer Indikation kann insbesondere zu Beginn einer Therapie Nebenwirkungen aufweisen, die sich negativ auf das Reaktions- und Leistungsvermögen auswirken können. Zudem kann auch ein „Rausch“ eine Folge der Anwendung sein.

Was ist zu beachten?
In jeglicher Einstellungsphase, ob zu Therapiebeginn oder -umstellung sollte, generell auf das Führen eines Fahrzeugs verzichtet werden. Diese Phasen können zeitlich individuell variieren. Die Dauer der Phasen ist abhängig vom Krankheitsbild und dessen Therapie, wobei die Therapiephase, die Dosis und weitere Arzneimittel sowie Grunderkrankungen zu berücksichtigen sind. Zu Beginn können oftmals Nebenwirkungen wie ein verlangsamtes Reaktionsvermögen, Schwindel, Müdigkeit, sowie verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit auftreten und sich negativ auf die Fahrtauglichkeit des:der Cannabispatient:in auswirken. Sollte es während einer laufenden Therapie mit cannabishaltigen Arzneimitteln zu einer Dosisanpassung oder Wechsel des Arzneimittels, sind ebenfalls Beeinträchtigungen des Fahrvermögens durch die genannten Nebenwirkungen zu erwarten. In diesem Fall sollte ebenfalls auf das Führen eines Fahrzeugs verzichtet werden. Zusammengefasst muss sich die:der Patient:in aus Sicht der:des behandelnden Mediziner:in in einem gut eingestellten und stabilen Zustand befinden. Das bedeutet die Einnahme von medizinischem Cannabis darf den Allgemeinzustand nicht negativ beeinflussen.

Hinzu kommt, dass medizinisches Cannabis meist parallel zu einer herkömmlichen Krankheitstherapie verschrieben wird – es gilt also besondere Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme von anderen Arzneimitteln, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen können. Gerade in diesen Fällen ist dringend geraten, vom Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr abzusehen. Oberste Priorität hat immer die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.

Kritische Selbsteinschätzung notwendig
Cannabis-Patienten sollten sich grundsätzlich vor jeder Fahrt selbst kritisch hinterfragen, ob sie sich in der Lage fühlen, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen, um eine Gefährdung von sich selbst und anderen auszuschließen. Dennoch gibt es Zweifel an der Eignung von Cannabispatient:innen zum Führen eines Fahrzeugs insbesondere von Verkehrsrechtsexperten. Daher kann es notwendig sein, sich einer Prüfung der Fahrtauglichkeit auch unter Berücksichtigung der Grunderkrankung zu unterziehen. Hierfür ist die:der behandelnde Mediziner:in zu Rate zu ziehen. Eine Beratung zur aktiven Verkehrsteilnahme ist im Sinne der Sicherheit in jedem Fall erforderlich. Nach eingehender Prüfung bzw. Einschätzung wird eine Bescheinigung erstellt, welche Patient:innen als Nachweis bei sich führen sollten.

Es ist allgemein bekannt, dass das Fahren nach dem Konsum von Cannabis, sowie anderer berauschender Mittel und Alkohol verboten und damit strafbar ist. Nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im März 2017 bedarf es keiner Ausnahmeregelung des BfArM nach § 3 Absatz 2 BtMG zur Verschreibung cannabishaltiger Arzneimittel mehr. Im Zuge dessen wurde auch das Straßenverkehrsgesetz (StVG) angepasst. Hier heißt es nun sinngemäß: es gilt eine Ausnahme, wenn ein Fahrer nach bestimmungsmäßiger Anwendung eines für sein Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels unter der Wirkung einer berauschenden Substanz steht. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass keine Strafe droht, wenn Cannabis-Patient: innen nachweisen, dass Cannabis „aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“ (§ 24a Absatz 2 Satz 2 StVG in Ausnahme zu Satz 1) Sprich sie sollten durch ein Rezept belegen können, dass ein:e Ärzt:in das Cannabis verschrieben hat.

Fahrtüchtigkeit ist immer entscheidend
Es gilt jedoch zu beachten, dass Cannabispatient:innen ebenso ordnungswidrig handeln, wenn sie ein Fahrzeug führen und:

  • Die Fahrtüchtigkeit durch Ausfallerscheinungen nach medizinischer Anwendung beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung kann insbesondere in der Einstellungs- bzw. Eingewöhnungsphase vorliegen.
  • Außerhalb einer medizinischen Indikation Cannabis konsumieren.
  • Missbräuchlich Cannabis konsumieren. Hierbei ist ein Entzug der Fahrerlaubnis eine mögliche Folge.

Natürlich kann es auch bei Cannabispatientinnen und -patienten bei polizeilichen Verkehrskontrollen zu Problemen kommen. Die Polizei kann nicht sofort zwischen Freizeit-Gebrauch und medizinischer Anwendung unterscheiden. Es kann vorkommen, dass ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wird. Hier muss ausgeschlossen werden, dass es sich um eine sogenannte Drogenfahrt handelte. Indikatoren für eine Drogenfahrt können eine auffällige Fahrweise sowie fehlende Nachweise, wie das Rezept und entsprechende Dosieranweisungen sein. Nach entsprechender Klärung werden die Verfahren dann meist eingestellt. Jede und jeder einzelne Patient wird hier als Einzelfall betrachtet und bewertet. Hierzu gab es bereits Beispiele für Gerichtsurteile.

Urteil vom 24.10.2019 – AZ: 6K 4574/18 
Ein Patient war in einen Verkehrsunfall verwickelt und aufgrund eines freiwilligen Drogentests wurde der Gebrauch von THC nachgewiesen, woraufhin der Führerschein entzogen wurde. Begründung der Behörden war folgende: „Gemäß § 20 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) auch bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung Anwendung findet, setzt die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse unter anderem voraus, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist“.

Jedoch das Verwaltungsgericht wies diese Begründung zurück mit folgender Ausführung: „Bei einer Einnahme von Medikamenten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, kann die fehlende Fahreignung nicht aus der Einnahme von Betäubungsmitteln hergeleitet werden, da die Beurteilung der Fahreignung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von ärztlich verordnetem Cannabis, als eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln anzusehen ist.“

Mit dem Gesetzentwurf zur Teillegalisierung wird auch eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes einhergehen. Es müssen Regularien, wie beispielsweise eine Nachweisgrenze für THC für die Freizeitanwendung geschaffen werden, die ebenso die Teilnahme am Straßenverkehr beeinflussen und regeln. Auch im Hinblick darauf, dass Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen könnte. Zu beachten ist jedoch: Cannabis bleibt weiterhin eine psychoaktive Substanz mit möglichen unerwünschten Nebenwirkungen. Momentan stellt die Einnahme von Cannabis außerhalb der ärztlichen Verordnung eine Ordnungswidrigkeit dar. Derzeit gibt es jedoch keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte, so wie es beim Alkohol der Fall ist. Bisher ging aus vergangenen Rechtsprechungen ein Wert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum hervor. Es lässt sich festhalten, dass eine Überarbeitung notwendig sein wird. Eine Sonderregelung für Cannabispatientinnen und -patienten muss zukünftig jedoch bestehen bleiben.

Die Nachweisbarkeit von THC bzw. dessen Abbauprodukten ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Insbesondere der Menge, Dauer und Häufigkeit der Anwendung, sowie der Art des Nachweistests. Bei einer Dauerbehandlung, wie es bei Patientinnen und Patienten der Fall ist, erfolgt der Abbau von THC deutlich langsamer, als bei Personen, die gelegentlich oder sogar nur einmalig Cannabis anwenden. Dementsprechend ist bei einer Langzeitanwendung aber auch die Rauschwirkung geringer. Hilfreich bei jeder Polizeikontrolle ist der Nachweis, dass eine medizinische Indikation vorliegt. Es ist immer ratsam, das aktuelle Rezept oder eine Kopie (von der Apotheke bedruckt, abgestempelt und unterschrieben) davon, sowie einen Patientenausweis oder eine Bescheinigung des Arztes bei sich zu tragen und sofern vorhanden eine Kostenübernahmebestätigung Ihrer Krankenkasse für cannabishaltige Arzneimittel. Halten wir fest, eine Teilnahme am Straßenverkehr ist dann möglich, wenn Ihre Dosierung fest eingestellt ist, Sie sich in der Lage fühlen sicher ein Fahrzeug (Kraftfahrzeug oder Fahrrad) zu führen und die genannten Nebenwirkungen nicht mehr spürbar sind. Aber seien wir ehrlich: am sichersten und auch im Sinne der Nachhaltigkeit und der Umwelt ist es, das Auto oder Moped lieber stehen zulassen und stattdessen den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. So lassen sich Missverständnisse oder Unannehmlichkeiten vermeiden und es schont die Umwelt.


Autor: Laura
Laura  Autor Grünhorn Cannabis Apotheke
Laura arbeitet seit 2011 als Pharmazeutisch-technische Assistentin und ist seit 2021 bei Grünhorn. Zu ihren Schwerpunktthemen gehört die Prüfung der Rezepte, Patientenberatung und die Herstellung patientenindividueller Rezepturen, wie Cannabisblüten, Extrakte und Kapseln.