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Cannabis bei Kopfschmerzen und Migräne: Eine natürliche Behandlungsoption? | GH Academy

Cannabis bei Kopfschmerzen und Migräne: Eine natürliche Behandlungsoption? | GH Academy

Key Facts Cannabis und Migräne/ Kopfschmerzen

  • Migräne und medizinisches Cannabis: THC und CBD interagieren mit den CB1- und CB2-Rezeptoren und können die Schmerzwahrnehmung bei Kopfschmerzen bzw. Migräne reduzieren. Cannabis hemmt entzündungsfördernde Zytokine, was Migränesymptome lindern kann. Cannabis hilft, Muskelverspannungen zu lösen und den Stress während einer Migräneattacke zu reduzieren.
  • Endocannabinoid-System und Migräne: Migränepatienten zeigen oft niedrigere Anandamid-Spiegel, ein Endocannabinoid, das schmerzlindernd wirkt. Eine verringerte Aktivität der CB1-Rezeptoren kann zu einer höheren Schmerzempfindlichkeit führen. Eine erhöhte Aktivität von Enzymen wie FAAH beschleunigt den Abbau von Anandamid, was Migräneanfälligkeit erhöhen könnte.
  • Wissenschaftliche Studien: Untersuchungen zeigten eine Schmerzlinderung sowie eine signifikante Reduktion der Attacken durch medizinisches Cannabis.

Kopfschmerzen sind ein weit verbreitetes Leiden, das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Ob Spannungskopfschmerzen, Migräne oder Clusterkopfschmerzen – die Ursachen und Ausprägungen sind vielfältig, ebenso wie die Behandlungsmöglichkeiten. Hinzu kommen noch die Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerzen (MÜK), die als medikamenteninduzierte Kopfschmerzen ebenfalls bis zu 800.000 Menschen in Deutschland betreffen können1. Migräne betrifft Millionen von Menschen weltweit und ist weit mehr als "nur" Kopfschmerzen. Die Betroffenen leiden unter intensiven Schmerzen, Übelkeit, Lichtempfindlichkeit und manchmal sogar neurologischen Symptomen wie Seh- oder Sprachstörungen. Manche Betroffene leiden lediglich ein- oder zweimal im Jahr unter einer Migräneattacke, andere wiederum mehrmals im Monat, wodurch ein geregelter (Arbeits-)Alltag fast unmöglich wird. Daneben gibt es noch so genannte sekundäre Kopfschmerzen, deren Ursache in einer anderen Erkrankung liegt, bspw. Infektionen, psychische Erkrankungen, Zahnfehlstellungen und Blutdruckerkrankungen.

Die Suche nach wirksamen Behandlungen von Kopfschmerzen ist oft frustrierend, da herkömmliche Medikamente nicht immer helfen oder Nebenwirkungen haben. In den letzten Jahren hat sich medizinisches Cannabis als potenzielle Alternative zur Kopfschmerz- bzw. Migränebehandlung hervorgetan. Doch was sagen die wissenschaftlichen Studien dazu?

Mögliche Mechanismen: Wie wirkt Cannabis bei Migräne?

Es wird vermutet, dass Cannabis auf verschiedene Weisen bei Kopfschmerzen bzw. Migräne hilft:

  • Schmerzreduktion: THC und CBD interagieren mit den CB1- und CB2-Rezeptoren im Gehirn und im Nervensystem, die für die Regulierung von Schmerz und Entzündung verantwortlich sind. Dadurch können sie die Schmerzwahrnehmung herabsetzen.
  • Entzündungshemmung: Entzündungen spielen eine Rolle bei der Entstehung von Migräne. Cannabis kann durch die Hemmung proinflammatorischer Zytokine eine entzündungshemmende Wirkung entfalten.
  • Muskelentspannung und Stressabbau: Viele Kopfschmerzpatient:innen berichten von einer muskulären Verspannung während einer Attacke. Cannabis kann helfen, die Muskeln zu entspannen und den Stress zu reduzieren.

Migräne und das Endocannabinoid-System

Cannabis wird seit Jahrhunderten in der Naturmedizin verwendet, und moderne Forschungen legen nahe, dass es eine Reihe von therapeutischen Eigenschaften besitzt. Insbesondere seine schmerzstillenden, entzündungshemmenden und entspannenden Wirkungen haben das Interesse der medizinischen Gemeinschaft geweckt. Die beiden Hauptwirkstoffe in Cannabis, Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), interagieren mit dem Endocannabinoid-System des Körpers, das unter anderem an der Schmerzwahrnehmung beteiligt ist.

Das Endocannabinoid-System besteht aus zwei Endocannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2), Endocannabinoiden (wie Anandamid und 2-AG) und Enzymen, die diese Endocannabinoide abbauen. Veränderungen in diesem System scheinen bei Patient:innen mit Migräne und anderen Kopfschmerzerkrankungen eine Rolle zu spielen.

Die Theorie eines klinischen Endocannabinoidmangels wurde von Forschenden wie Dr. Ethan Russo vorgeschlagen2. Diese Hypothese besagt, dass eine verminderte Aktivität oder Produktion von Endocannabinoiden, wie Anandamid, zu verschiedenen chronischen Erkrankungen, darunter Migräne, führen könnte. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Migränepatient:innen im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen niedrigere Anandamid-Spiegel aufweisen. Anandamid ist ein Endocannabinoid, das eine schmerzlindernde Wirkung hat und bei niedrigen Spiegeln möglicherweise weniger zur Schmerzregulation beitragen kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle des CB1-Rezeptors im zentralen Nervensystem. Untersuchungen zeigen, dass bei Migränepatient:innen die Aktivität oder Expression der CB1-Rezeptoren verringert sein könnte, was zu einer höheren Empfindlichkeit gegenüber Schmerzreizen führen kann3. Da CB1-Rezeptoren an der Schmerzmodulation beteiligt sind, könnte eine verringerte Aktivität dieses Systems dazu beitragen, dass Migräneanfälle häufiger oder intensiver auftreten.

Es wurde auch beobachtet, dass bei Migränepatient:innen die Aktivität von Enzymen wie Fettsäureamidhydrolase (FAAH) erhöht ist, das für den Abbau von Anandamid verantwortlich ist. Dies könnte zu einem schnelleren Abbau von Anandamid führen, was wiederum die schmerzlindernde Wirkung verringert und die Anfälligkeit für Migräne erhöht4.

Nicht zuletzt wird Migräne oft mit einer Neuroinflammation in Verbindung gebracht, und das ECS spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Entzündungen im Nervensystem5. Durch die Modulation von Immunzellen und entzündlichen Prozessen könnte das ECS eine direkte Rolle bei der Kontrolle von Migränesymptomen spielen. Veränderte Endocannabinoidspiegel oder Rezeptoraktivitäten könnten zu einer Dysregulation dieser entzündlichen Prozesse beitragen.

Studienlage: Was wissen wir bisher?

Mehrere wissenschaftliche Studien haben untersucht, ob Cannabis Kopfschmerzen bzw. Migränesymptome lindern kann. Hier sind einige wichtige Ergebnisse:

  • In einer aktuellen randomisierten, doppel-blinden und Placebo-kontrollierten Untersuchung von 2024 wurde gezeigt, dass die Inhalation von THC- und CBD-haltigen Cannabisblüten bei der Linderung von Migräne einem Placebo überlegen ist6. Dies geht aus Daten hervor, die online auf der Website der National Library of Medicine veröffentlicht wurden. Die Daten wurden noch nicht abschließend von Experten begutachtet. Die Forschenden der University of California in San Diego untersuchten die Sicherheit und Wirksamkeit von Cannabisblüten bei 92 Patient:innen mit anhaltender Migräne. Die Patient:innen wurden nach dem Zufallsprinzip angewiesen, einen von vier Cannabis-Chemotypen (6 % THC, 11 % CBD, 6 % THC und 11 % CBD oder Placebo-Cannabis) nach Beginn der Migräne zu verdampfen. Von den vier untersuchten Chemotypen erwies sich verdampftes Cannabis mit THC und CBD als am wirksamsten. Verdampfte Cannabisblüten mit 6 % THC und 11 % CBD waren Placebo in Bezug auf Schmerzlinderung, Schmerzfreiheit und Linderung des am meisten störenden Symptoms nach zwei Stunden sowie auf 24 Stunden anhaltende Schmerzfreiheit und anhaltende MBS-Freiheit und 48 Stunden anhaltende MBS-Freiheit überlegen. THC-/CBD-Cannabis war auch bei der Linderung der migränebedingten Lichtempfindlichkeit und Geräuschempfindlichkeit einem Placebo überlegen. Unabhängig von der Art des konsumierten Cannabis wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse gemeldet.

  • Eine retrospektive Studie untersuchte die Auswirkungen von medizinischem Cannabis auf Migränepatient:innen7. Von den 121 Teilnehmenden berichteten über 85 %, dass die Häufigkeit ihrer Migräneattacken durch den Einsatz von Cannabis verringert wurde. Durchschnittlich sank die Anzahl der monatlichen Migräneanfälle von 10,4 auf 4,6. Besonders effektiv waren dabei Inhalationsmethoden, wie das Verdampfen oder Rauchen von Cannabis, da sie schnellere Linderung verschafften als essbare Produkte.

  • Forschende der Washington State University analysierten Patientenberichte, die über eine mobile App (Strainprint) erhoben wurden8. Mithilfe statistischer Modelle wurden insgesamt 12.293 Sitzungen, in denen Cannabis zur Behandlung von Kopfschmerzen genutzt wurde, und 7.441 Sitzungen, in denen es gegen Migräne eingesetzt wurde, ausgewertet. Die Daten zeigten, dass Cannabis Migräneschmerzen um etwa 50 % reduzierte. Männer berichteten von einer stärkeren Linderung der Kopfschmerzen im Vergleich zu Frauen. Außerdem waren Konzentrate effektiver als Blüten. Allerdings gab es Hinweise auf die Entwicklung einer Toleranz: Im Laufe der Zeit nahm die Wirksamkeit von Cannabis ab, während die Patient:innen dazu neigten, höhere Dosen zu verwenden.

  • Eine italienische Studie untersuchte die Wirkung von oral verabreichtem Cannabis auf Migränepatient:innen9. In dieser randomisierten klinischen Studie erhielten die Teilnehmenden entweder eine Kombination aus THC und CBD oder ein herkömmliches Medikament zur Migräneprophylaxe. Die Ergebnisse zeigten, dass die THC-/CBD-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Reduktion der Migräneschmerzen sowie eine Abnahme der Intensität und Häufigkeit der Anfälle erlebte. Zudem traten weniger Nebenwirkungen auf.

  • Im Rahmen einer großen Online-Befragung unter Cannabis-Anwender:innen konnten 2023 Datensätze vollständig ausgewertet werden10. Insgesamt wurden 21 Krankheiten mit Cannabis behandelt. Über alle Krankheiten hinweg waren Kopfschmerzen bei 25 % der mit Cannabis behandelten Symptome. Viele Kopfschmerzpatient:innen substituierten andere verschreibungspflichtige Medikamente mit Cannabis, am häufigsten mit Opiaten (43 %), aber auch die Verschreibung von Antidepressiva/Anti-Angstmittel (39 %), NSAIDs (21 %), Triptane (8 %), Antikonvulsiva (8 %) und Muskelrelaxantien (7 %) konnte verringert werden.

  • Eine Analyse mehrerer Studien zur Verwendung von Cannabis bei Migräne kam zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Patient:innen über positive Effekte berichtete, insbesondere eine Linderung der Schmerzintensität sowie eine Verringerung der Dauer und Frequenz von Migräneattacken11.

Nebenwirkungen und Risiken

Trotz der positiven Ergebnisse gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen, die nicht außer Acht gelassen werden sollten:

  • Psychische Nebenwirkungen: THC kann bei einigen Menschen Angst, Paranoia oder Schwindel auslösen. Besonders bei hoher Dosierung kann dies problematisch sein.
  • Langzeitwirkungen: Da Cannabis in vielen Ländern erst seit kurzer Zeit legal als Medizin zugelassen ist, fehlen Langzeitstudien, die mögliche chronische Effekte der regelmäßigen Einnahme erforschen.

Fazit: Cannabis als ergänzende Therapie?

Die bisherigen Studien legen nahe, dass Cannabis eine vielversprechende Alternative oder Ergänzung zur herkömmlichen Behandlung von Migräne oder andersartigen Kopfschmerzen sein kann. Viele Patient:innen berichten von einer signifikanten Reduktion der Schmerzintensität und der Häufigkeit von Anfällen. Es sind jedoch noch weitere, größere klinische Studien notwendig, um den genauen therapeutischen Nutzen und die Risiken besser zu verstehen.

Wer über den Einsatz von Cannabis bei Migräne nachdenkt, sollte dies in Absprache mit einem Arzt tun, insbesondere weil die Reaktion auf Cannabis individuell sehr unterschiedlich sein kann. Prinzipiell kann medizinisches Cannabis für manche Patient:innen eine wertvolle Option darstellen, vor allem wenn andere Therapien nicht ausreichend helfen.

Quellen

[1] https://www.aerzteblatt.de/archiv/198141/Chronische-Kopfschmerzen-durch-Uebergebrauch-von-Schmerz-und-Migraenemitteln
[2] Russo EB. Clinical endocannabinoid deficiency (CECD): can this concept explain therapeutic benefits of cannabis in migraine, fibromyalgia, irritable bowel syndrome and other treatment-resistant conditions? Neuro Endocrinol Lett. 2004 Feb-Apr;25(1-2):31-9. 

 [3] Akerman S, Holland PR, Goadsby PJ. Cannabinoid (CB1) receptor activation inhibits trigeminovascular neurons. J Pharmacol Exp Ther. 2007 Jan;320(1):64-71. 

 [4] Greco R, Demartini C, Zanaboni AM, Francavilla M, Reggiani A, Realini N, Scarpelli R, Piomelli D, Tassorelli C. Potentiation of endocannabinoids and other lipid amides prevents hyperalgesia and inflammation in a pre-clinical model of migraine. J Headache Pain. 2022 Jul 7;23(1):79. 

 [5] Pacher P, Kunos G. Modulating the endocannabinoid system in human health and disease--successes and failures. FEBS J. 2013 May;280(9):1918-43.  

 [6] Schuster NM, Wallace MS, Marcotte TD, Buse DC, Lee E, Liu L, Sexton M. Vaporized Cannabis versus Placebo for Acute Migraine: A Randomized Controlled Trial. medRxiv [Preprint]. 2024 Feb 18:2024.02.16.24302843. 

 [7] Rhyne DN, Anderson SL, Gedde M, Borgelt LM. Effects of Medical Marijuana on Migraine Headache Frequency in an Adult Population. Pharmacotherapy. 2016 May;36(5):505-10.  

 [8] Cuttler C, Spradlin A, Cleveland MJ, Craft RM. Short- and Long-Term Effects of Cannabis on Headache and Migraine. J Pain. 2020 May-Jun;21(5-6):722-730.

[9] https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/medizinalhanf-neue-indikation-thc-cbd-cannabis-bei-migraene/ abgerufen am 16.10.2024 

 [10] Baron EP, Lucas P, Eades J, Hogue O. Patterns of medicinal cannabis use, strain analysis, and substitution effect among patients with migraine, headache, arthritis, and chronic pain in a medicinal cannabis cohort. J Headache Pain. 2018 May 24;19(1):37. 

[11] Poudel S, Quinonez J, Choudhari J, Au ZT, Paesani S, Thiess AK, Ruxmohan S, Hosameddin M, Ferrer GF, Michel J. Medical Cannabis, Headaches, and Migraines: A Review of the Current Literature. Cureus. 2021 Aug 24;13(8):e17407.

Autor: Dr. Nadine Herwig
Dr. Nadine Herwig - Leiterin Grünhorn Academy
Dr. Nadine Herwig studierte von 2006 bis 2010 Angewandte Naturwissenschaften an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Ihre Promotion führte sie am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf am Institut für Radiopharmazie durch. Zu ihren bislang publizierten wissenschaftlichen Arbeiten gehören u. a. Originalartikel auf dem Gebiet der Hautkrebsforschung und der Biomarker.