Was ist CBG? Wie wirkt es? | GH Academy

Das Cannabigerol (CBG) wurde einst im selben Jahr wie das THC vom wegweisenden Cannabiswissenschaftler Dr. Raphael Mechoulam isoliert9. Doch im Gegensatz zum THC und CBD fristet es ein bisher eher unbeachtetes Dasein. Zu Unrecht?! In den letzten Jahren rückte das CBG zunehmend in den Fokus der Forschung und zeigte zum Teil eindrucksvolle Ergebnisse.

Die Cannabigerolsäure (CBGA) dient innerhalb der Cannabispflanze als chemische Vorstufe für andere Cannabinoide, darunter auch THC und CBD. Während des Blütezyklus werden mittels enzymatischer Prozesse aus CBGA die Cannabinoidsäuren THCA und CBDA gebildet. Dadurch wird deutlich, dass CBD- bzw. THC-reiche Sorten entsprechend weniger CBGA aufweisen. Zudem wird durch die Decarboxylierung von CBGA das CBG gebildet7.

Im Gegensatz zu THC besitzt CBG keine psychoaktive Wirkung. Die Ursache liegt vor allem darin begründet, dass CBG nur mit geringer Affinität an die Endocannabinoid-Rezeptoren CB1 bzw. CB2 bindet3. Mit weitaus höherer Wirksamkeit bindet CBG an Rezeptoren, die dem „erweiterten Endocannabinoid-System“ zugeordnet sind, z.B. TRPV1, TRPV2 und PPARs7. Erstgenannte sind vor allem an der Schmerzweiterleitung beteiligt. PPARs spielen sowohl bei anti-inflammatorischen als auch metabolischen Prozessen eine Rolle. Hierbei lassen sich bereits einige der CBG-charakteristischen Wirkungen ableiten.

Was sind die Vorteile bzw. Wirkungen von CBG?

  • CBG hat eine schmerzlindernde Wirkung, in dem es die mechanische Hypersensitivität bei Chemotherapie-induzierter Neuropathie verbessert11.
  • CBG besitzt anti-inflammatorische Wirkung bei entzündlichen Magenerkrankungen5.
  • CBG vermittelt neuroprotektive Effekte, bedeutsam bei Multiple Sklerose6 oder für die Huntington-Krankheit12.
  • CBG hat antibakterielle Eigenschaften und könnte zur Bekämpfung bestimmter resistenter Staphylokokken wie MRSA zum Einsatz kommen1.
  • CBG dient zur Therapie von Glaukomen, indem es den Augeninnendruck senkt3.
  • CBG besitzt anti-tumorale Aktivität bei verschiedenen Tumorentitäten, etwa durch Inhibierung des invasiven Verhaltens und durch Stimulierung der Apoptose von Tumorzellen8.
  • CBG zeigt appetitanregende Wirkung2.

Womit beschäftigen sich aktuelle präklinische Studien?

  • Viereckl und Kollegen veröffentlichten vor kurzem eine Studie, in der sie die anti-tumorale Aktivität von CBD und CBG anhand von In-vitro-Experimenten an Cholangiokarzinomzellen nachweisen konnten. Beide Cannabinoide zeigten dabei eine signifikante Reduktion der prometastatischen Eigenschaften (Motilität, Migration, Koloniebildung) der Tumorzellen, wobei CBG im Vergleich zu CBD eine stärkere Inhibierung der Migration bewirkte.
    In einem weiteren Experiment stimulierte CBG vor allem die caspase-2-abhängige Apoptose der Cholangiokarzinomzellen, wohingegen CBD die zytotoxischen Effekte primär durch eine Stimulierung der Autophagie induzierte. Bemerkenswert ist dabei, dass die Cholangiokarzinomzellen eine höhere Sensitivität gegenüber CBG im Vergleich zu CBD aufzeigten. Die Ursache dafür liegt vermutlich in dem unterschiedlichen Bindungsverhalten der beiden Cannabinoide bzw. deren Rezeptoren und nachgeschaltetem Signalling14.
  • Die amerikanische Forschungsgruppe um Amy Arnold untersuchte in einem Tierexperiment den kardiovaskulären Effekt von CBG im Kontext eines normalen Blutdrucks. Dabei konnten sie zeigen, dass CBG den Blutdruck signifikant senkt, ohne einen Einfluss auf die Herzfrequenz oder lokomotorische Aktivität auszuüben. Zusätzlich konnten sie nachweisen, dass die blutdrucksenkende Wirkung durch einen α2-Adrenorezeptor-(α2AR)-Mechanismus vermittelt wird13.
    Der α2AR wird unter physiologischen Bedingungen vor allem durch Adrenalin und Noradrenalin aktiviert und bewirkt eine Hemmung des Sympathikus. Das Cannabinoid CBG besitzt eine im nanomolaren Bereich liegende Bindungsaffinität an den α2AR und stellt somit einen weiteren hoch-potenten Agonisten dar4.

Anwendung von CBG und Ausblick

Der CBG-Gehalt in Cannabispflanzen liegt bei maximal 1%. Beispielsweise enthält die Blütensorte Drapalin 20/1 Bafokeng Choice, sowohl als getrocknete Blüte als auch als Vollspektrum-Extrakt, 0,9% CBG. Somit ist es im Vergleich zu THC und CBD ein eher gering-vorkommendes Cannabinoid. Nichtsdestotrotz ist es vor allem aufgrund des Entourage-Effektes, der synergistischen Wirkung aller Cannabinoide, durchaus von Bedeutung.

So unterstützen sich CBD und CBG zum Beispiel in ihrer anti-entzündlichen Wirkung, wodurch der Effekt zusätzlich verstärkt werden kann. Die CBG-vermittelten Effekte zur Senkung des Augeninnendrucks und Appetitsteigerung sind jedoch beachtlich und stellen in diesem Zusammenhang aussichtsreiche Ansätze für neue THC-unabhängige, nicht-psychotrope Therapiemöglichkeiten dar. Eine Befragung unter 65 Patienten mit Angststörungen, chronischen Schmerzen, Depressionen oder Schlafstörungen lieferte erste selbstberichtete Einschätzungen zur Wirksamkeit von CBG: Die meisten Befragten berichteten über eine größere Wirksamkeit von CBG-dominiertem Cannabis im Vergleich zur herkömmlichen Pharmakotherapie, mit einem guten Nebenwirkungsprofil und vernachlässigbaren Entzugssymptomen10. Diese Studie legt nahe, dass CBG-dominierte Medikamente auf Cannabisbasis in randomisierten kontrollierten Studien untersucht werden sollten.

Ähnlich wie in der Geschichte des CBD steht die Forschung zum CBG noch am Anfang. Das gestiegene Interesse führte bereits zu ersten vielversprechenden Ergebnissen im Rahmen präklinischer Studien, die jedoch in weiterführenden, umfangreichen Studien validiert werden müssen. Aktuell läuft unter anderem eine klinische Studie an der Washington State University, in der die akuten Effekte nach der Einnahme von CBG auf die Stimmung, das Stressempfinden sowie das Angstverhalten und die Kognition untersucht werden sollen15.

Eine weitere Studie an der Hospital Israelita Albert Einstein untersucht den Einsatz von CBD, CBG und THC als begleitende Therapie bei chronischer Migräne16.

Quellenangabe:
[1]     Appendino G, Gibbons S, Giana A, Pagani A, Grassi G, Stavri M, Smith E, Rahman MM. Antibacterial cannabinoids from Cannabis sativa: a structure-activity study. J Nat Prod. 2008 Aug;71(8):1427-30.
[2]     Brierley DI, Samuels J, Duncan M, Whalley BJ, Williams CM. Cannabigerol is a novel, well-tolerated appetite stimulant in pre-satiated rats. Psychopharmacology (Berl). 2016 Oct;233(19-20):3603-13.
[3]    Calapai F, Cardia L, Esposito E, Ammendolia I, Mondello C, Lo Giudice R, Gangemi S, Calapai G, Mannucci C. Pharmacological Aspects and Biological Effects of Cannabigerol and Its Synthetic Derivatives. Evid Based Complement Alternat Med. 2022 Nov 8; 2022: 3336516.
[4]    Cascio MG, Gauson LA, Stevenson LA, Ross RA, Pertwee RG. Evidence that the plant cannabinoid cannabigerol is a highly potent alpha2-adrenoceptor agonist and moderately potent 5HT1A receptor antagonist. Br J Pharmacol. 2010 Jan;159(1):129-41.
[5]    Couch DG, Maudslay H, Doleman B, Lund JN, O'Sullivan SE. The Use of Cannabinoids in Colitis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Inflamm Bowel Dis. 2018 Mar 19;24(4):680-697.
[6]    Granja AG, Carrillo-Salinas F, Pagani A, Gómez-Cañas M, Negri R, Navarrete C, Mecha M, Mestre L, Fiebich BL, Cantarero I, Calzado MA, Bellido ML, Fernandez-Ruiz J, Appendino G, Guaza C, Muñoz E. A cannabigerol quinone alleviates neuroinflammation in a chronic model of multiple sclerosis. J Neuroimmune Pharmacol. 2012 Dec;7(4):1002-16.
[7]    Jastrząb A, Jarocka-Karpowicz I, Skrzydlewska E. The Origin and Biomedical Relevance of Cannabigerol. Int J Mol Sci. 2022 Jul 19;23(14):7929.
[8]    Lah TT, Novak M, Pena Almidon MA, Marinelli O, Žvar Baškovič B, Majc B, Mlinar M, Bošnjak R, Breznik B, Zomer R, Nabissi M. Cannabigerol Is a Potential Therapeutic Agent in a Novel Combined Therapy for Glioblastoma. Cells. 2021 Feb 5;10(2):340
[9]    Mechoulam R, Shani A, Edery H, Grunfeld Y. Chemical basis of hashish activity. Science. 1970 Aug 7;169(3945):611-2.
[10]    Russo EB, Cuttler C, Cooper ZD, Stueber A, Whiteley VL, Sexton M. Survey of Patients Employing Cannabigerol-Predominant Cannabis Preparations: Perceived Medical Effects, Adverse Events, and Withdrawal Symptoms. Cannabis Cannabinoid Res. 2022 Oct;7(5):706-716.
[11]    Sepulveda DE, Morris DP, Raup-Konsavage WM, Sun D, Vrana KE, Graziane NM. Cannabigerol (CBG) attenuates mechanical hypersensitivity elicited by chemotherapy-induced peripheral neuropathy. Eur J Pain. 2022 Oct;26(9):1950-1966.
[12]    Valdeolivas S, Navarrete C, Cantarero I, Bellido ML, Muñoz E, Sagredo O. Neuroprotective properties of cannabigerol in Huntington's disease: studies in R6/2 mice and 3-nitropropionate-lesioned mice. Neurotherapeutics. 2015 Jan;12(1):185-99.
[13]     Vernail VL, Bingaman SS, Silberman Y, Raup-Konsavage WM, Vrana KE, Arnold AC. Acute Cannabigerol Administration Lowers Blood Pressure in Mice. Front Physiol. 2022 May 9; 13: 871962.
[14]    Viereckl MJ, Krutsinger K, Apawu A, Gu J, Cardona B, Barratt D, Han Y. Cannabidiol and Cannabigerol Inhibit Cholangiocarcinoma Growth In Vitro via Divergent Cell Death Pathways. Biomolecules. 2022 Jun 20;12(6):854.
[15]    Clinical Trial: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04989413
[16]    Clinical Trial: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04989413

Über die Grünhorn Academy:

Die Grünhorn Academy, gegründet von Grünhorn - Deutschlands zuverlässiger Marke für medizinisches Cannabis, hat sich als Ziel gesetzt, eine kostenlose Wissensplattform zu schaffen, die aktuelle Erkenntnisse im Bereich des medizinischen Cannabis vorstellt.

Sie richtet sich an ärztliches Fachpersonal, Apotheker:innen, andere medizinische bzw. pharmazeutische Fachkräfte, Patient:innen und an Cannabis-interessierte Personen im Allgemeinen.

Das zukünftige Fortbildungsangebot der Grünhorn Academy besteht sowohl aus der Vermittlung von fundiertem Fachwissen (bspw. zu Cannabinoiden und Terpenen) als auch in der Vorstellung aktueller Forschungsschwerpunkte (bspw. in (prä-)klinischen Studien).


Autor: Dr. Nadine Herwig
Dr. Nadine Herwig - Leiterin Grünhorn Academy
Dr. Nadine Herwig studierte von 2006 bis 2010 Angewandte Naturwissenschaften an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Ihre Promotion führte sie am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf am Institut für Radiopharmazie durch. Zu ihren bislang publizierten wissenschaftlichen Arbeiten gehören u. a. Originalartikel auf dem Gebiet der Hautkrebsforschung und der Biomarker.